Exlibris - style history in small format
Posted by Klaus Kampe on
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Das Exlibris ist zwar aus der Mode gekommen, hat jedoch seinen Reiz als kulturhistorische Kostbarkeit beibehalten. Seine Verwendung bedeutet Tradition, Individualität und Identifikation.
Das Exlibris ist mit dem Buch so eng verbunden wie die Visitkarte mit einem Geschäftsmann - es ist die Visitkarte eines Buches! Dieses kleine, ins Buch geklebte druckgraphische Kunstwerk gibt Auskunft über den Besitzer des Buches oder der Bibliothek und sollte garantieren, dass das entliehene Buch zum Besitzer wieder zurückfindet. Dies war zumindest in der Vergangenheit so, als Exlibris noch in Bücher geklebt wurden, als Bücher privat noch verliehen wurden und das Lesen Priorität vor dem Sehen genoss.
Die Geschichte des Exlibris beginnt schon vor der Erfindung des Buchdrucks; die handgemalten Wappen- und Wahlspruch-Exlibris Kaiser Friedrichs III. reichen bis in das Jahr 1439 zurück. Die Exlibris der Wiener Humanisten sind als frühe Vertreter der bereits gedruckten Bucheignerzeichen zu nennen, da es schon zu Ende des 15. Jahrhunderts eine Reihe von Bibliotheken in Österreich gab, deren Besitzer Wert darauf legten, ihre Folianten mit einem Eigentumsvermerk zu versehen. Mit dem Einzug der Humanisten an der Wiener Universität – hier ist vor allem der 1497 nach Wien berufene Dichter Konrad Celtis zu nennen – wurde das Interesse am Buche und dessen Ausschmückung als Symbol der Bildung geweckt. Der Beginn der systematischen Verwendung des Exlibris in Österreich kann mit Anfang des 16. Jahrhunderts datiert werden.
Wechselvolle Geschichte
Seit dieser lange zurückliegenden Zeit durchschritt das Exlibris Zyklen, die es einerseits in die Bedeutungslosigkeit gedrängt, andererseits aus dieser wieder zurückgeholt haben. Die Exlibris lebten in kleinen Kreisen von Bücherfreunden fort, um dann zu einer Modeerscheinung hochstilisiert zu werden. Sie wurden zu Sammlerobjekten, die im Bildungsbürgertum Interesse erregten, lösten sich jedoch allmählich vom Buch.
Um 1900 bildeten sich Gesellschaften, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, das Exlibris wissenschaftlich aufzuarbeiten, als auch ein Forum zu bilden um alle am Exlibris Interessierten zusammenzuführen. Die Österreichische Exlibris Gesellschaft (ÖEG) ist eine der ältesten Gesellschaften dieser Art in Europa. Sie wurde 1903 am Höhepunkt eines dieser Zyklen gegründet und versucht seither, die Exlibris-Tradition in Österreich zu pflegen.
Im Zeitalter des Fernsehens und des Internets mutet es ein wenig anachronistisch an, sich für das Exlibris im Buch einzusetzen, denn der Zeitgeist der schnellen und womöglich digitalisierten Lektüre ist dem gedruckten Buch und somit dem Exlibris nicht sonderlich zugetan. Und dennoch ist es die Pflege einer Tradition mit bibliophilem Hintergrund und kunsthistorischem Interesse, die motiviert, ebenso wie das Interesse an guter Kleingraphik und dem Sammeln von Graphik an sich. Ausschlaggebend ist das Zusammenspiel von Sammler und Künstler, die gemeinsame Erarbeitung des Sujets einer individuellen, personalisierten Druckgraphik mit Bezug auf einen Eigner - in den meisten Fällen zum eigenen Ich - oder zu einem lieb gewordenen Ort, einer Empfindung oder Überzeugung. Obwohl heute (wie schon im Fin de Siècle) die wenigsten Exlibris, die für Sammler geschaffen werden, auch wirklich in Bücher kommen, ist der Exlibris-Gedanke lebendig und die Beschäftigung damit für viele Liebhaber von Kleingraphik äußerst befriedigend.
Was für die „große“ Kunst an der Wand von Museen und Chefetagen gilt, trifft auch im „Kleinen“, ja Miniaturhaften als Illustration oder in Form des Exlibris zu. Die Botschaften, die die Künstler in ihren kleinen Druckwerken übermitteln, sind nicht revolutionär oder epochal; sie sind gewissermaßen durch die persönlichen Wünsche und Vorgaben der Auftraggeber zum Motiv ihres Exlibris eingeengt. Dennoch geben sie einen ausgezeichneten Einblick in das graphische Geschehen und das Stilempfinden der Zeit, in der sie entstanden sind, und oft klingen auch zeit- und kulturhistorische Momente an, die einen zusätzlichen Reiz ausmachen.
So kann man die Stilgeschichte der Druckgraphik Revue passieren lassen und anhand von Exlibris eine Dokumentation aufstellen, die alle wichtigen und auch weniger wichtigen Künstler beinhaltet. So zeigt sich ein künstlerisches Betätigungsfeld, welches heutzutage eher im Verborgenen existiert und – da auf privater Basis entstehend – kaum an die Öffentlichkeit dringt.
Zu Beginn es vorigen Jahrhunderts stand die Heraldik im Mittelpunkt der Exlibris-Entwürfe und der akademische Stil, vor allem durch den Einfluß der Wiener Akademie für bildende Kunst, waren dominant. Die Künstlerschaft wollte sich diesem neuen Aufgabengebiet nicht entziehen und so entstanden Exlibris aus der Hand auch der bedeutendsten Künstler. Oft wird – zu Recht – das Exlibris zitiert, das Gustav Klimt für die Vereinigung bildender Künstler Österreichs, die Secession 1898, geschaffen hat.
Das ist die Spitze der Pyramide. Es wurde auch Basisarbeit an den Kunstschulen geleistet, die der breiteren Öffentlichkeit verborgen blieb. Noch während ihrer Ausbildung wurden die Studenten an der Wiener Kunstgewerbeschule (etwa Josef von Diveky oder Rudolf Kalvach) mit dem Exlibris konfrontiert. Zu einem Exlibris-Wettbewerb konstatierte Alfred Roller 1910: Czeschka Die vorliegenden Entwürfe zeigen ein Streben nach Einfachheit und Klarheit. Die frische Herbheit und jugendliche Originalität mag die [heute] begangenen Geschmackswege vielleicht befremden – die Tatsache, daß solche jedoch in Gebrauch stehen, beweist, daß es auch Schätzer dieser Eigenschaften gibt.“
Bekannt, geschätzt und hoch begehrt sind Exlibris, die von Künstlern im Umkreis der Wiener Werkstätte geschaffen wurden. Da sind neben den Gründern dieser„Productivgenossenschaft von Kunsthandwerkern“ Kolo Moser und Josef Hoffmann, fast alle Künstler zu nennen, die mit dieser Firma verbunden waren, denn das Exlibris war ein Kunstobjekt des täglichen Lebens und also auch ein Teil ihrer Produktphilosophie. Unabhängig davon schufen viele andere bekannte wie auch weniger bekannte Künstler Exlibris – es sollen hier nur die galanten Motive eines Franz von Bayros, die phantastischen Vorstellungen eines Alfred Kubin oder die Stadtansichten eines Luigi Kasimir genannt werden.
Auch der Wiederentdecker des Original-Kupferstichs in Österreich, Alfred Coßmann (1870–1951), leistete einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung des Exlibris. Er hinterließ nicht nur ein großes Exlibris-Oeuvre sondern führte durch seine Lehrtätigkeit an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien eine ganze Reihe von enthusiastischen Graphikern zum Kupferstich heran. Seine Schüler wurden unter dem Begriff „Coßmann-Schule“ auch über die Grenzen Österreichs bekannt und lieferten<br />einen wichtigen Beitrag auch auf dem Gebiet des Banknoten- und Briefmarkenstichs. Eine herausragende Persönlichkeit aus dieser Schule war Hans Ranzoni d. J. (1896–1991). Gegenwärtig ist der Graphiker und Markenstecher Werner Pfeiler (geboren 1941) vielleicht einer der ganz letzten, die diese Technik beherrschen.
Holzschnitt-Exlibris
In einem gewissen Konkurrenzverhältnis zum Tiefdruck-Exlibris stand immer der Holzschnitt als Hochdrucktechnik. Coßmann und seine Schule machten es den Holzschneidern nicht leicht, in gleicher Weise Anerkennung zu<br />erlangen, wie es den Kupferstechern zuteil wurde. Dem Holzschnitt wurde immer eine eher volkstümliche, mit einfachen Formen und Aussagen zusammenhängende Funktion zugeschrieben. Herausragend auf diesem Gebiete war der Kärntner Switbert Lobisser (1878–1943) oder der Oberösterreicher Aloys Wach (1892–1940), dessen Holzschnitt-Exlibris so gar nicht in das Volkstümliche passen und seltene Beispiele des österreichischen Expressionismus sind. Erst kürzlich wurden Exlibris von Franz von Zülow (1883–1963) bekannt, die in seiner speziellen Technik der Reliefzeichnungsfrottage verfertigt wurden. Und der Oberösterreicher Ottmar Premstaller (geboren 1927) schafft auch heute noch wahre Gebrauchsexlibris.
Ein wichtiger Bestandteil des Exlibris ist die Schrift. So ist es nicht verwunderlich, dass sich im Gefolge der Lehrtätigkeit des Wiener Schrifttheoretikers und künstlers Rudolf von Larisch<br />(1856–1934) der Typus des Schrift-Exlibris entwickelte.</p> <p>Und wie ist es gegenwärtig um das zeitgenössische österreichische Exlibris bestellt? Diese Frage muß im Zusammenhang mit dem Stellenwert des Buches in unserer Gesellschaft betrachtet werden wie der Tatsache, dass Bücher privat kaum verborgt werden, da sich heutzutage jeder „sein eigenes Buch“ leisten kann. Das Exlibris als Eigentumshinweis ist einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt. Gegenwärtig gibt es auch keine „Galionsfigur“, die eine Generation von Künstlern zum Exlibris oder zur Kleingraphik führen oder dieses Spezialgebiet besonders hervorheben würde. Die Zeiten eines Coßmann oder von Larisch sind vorbei, das Exlibris ist nicht „in“!
So muss man auf die zeitgenössischen Künstler zurückgreifen, die sich gelegentlich mit dem Exlibris beschäftigen, um einem privaten Auftrag nachzukommen oder eine persönliche Aufmerksamkeit einem Freund zukommen zu lassen. Aber die Behauptung, dass sich wichtige Künstler mit Exlibris beschäftigt haben, gilt nach wie vor, denn Arnulf Rainer, Ernst Fuchs, Alfred Hrdlicka, Karl Korab oder Walter Schmögner führen alle in ihren Werklisten Exlibris an – und diese Reihe ließe sich fortsetzen.
Seit einigen Jahren widmet sich die Meisterklasse für Graphik-Design an der Höheren Graphischen Bundes- Lehr- und Versuchsanstalt in Wien – der guten alten „Graphischen“ – unter dem Titel „Exlibris Heute“ in Arbeitsprojekten dem typographischen Exlibris. Dadurch ist diese traditionsreiche Lehranstalt die einzige Stätte in Österreich, in der junge, zeitgemäße und intelligente Bucheignerzeichen entstehen und das Gebrauchsexlibris institutionell gefördert wird. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass das Exlibris auch institutionell Verwendung findet. Um die Bücher zu kennzeichnen wird in den Bibliotheken Österreichs selbstverständlich der heute unumgängliche StrichHkode verwendet, viele kleben ein gesichtsloses Etikett mit Namen und Anschrift ein oder verwenden einen derben Stempel, der vorne und hinten in die Bände lieblos hineingesetzt wird, als ob es nichts anderes gäbe! An ein eigenes, individuelles Exlibris denkt leider niemand. Und doch gibt es eine Alternative: das künstlerisch gestaltete Exlibris. Dieses kann einen Bezug zur Bibliothek herstellen, bei der Erstellung die lokale Leserschaft/Bildungsstätten/Künstlerschaft einbinden oder einen Sponsor hervorheben. Es wird dadurch eine zusätzliche Individualität geschaffen, die Identifikation und Bindung zur Bibliothek bedeutet. Wenn jedoch das Exlibris seiner ureigensten Verwendung nicht zugeführt wird, so bleibt es vor allem den Sammlern von Kleingraphik überlassen, sich der schönen Tradition des Exlibris zu widmen, denn es repräsentiert eine Visitkarte nicht nur des Buches sondern auch des Eigners.
Heinrich Scheffer